Der Meister entdeckt die Defensivarbeit neu
Auf höchstem Niveau erklimmt Meister Bayer Leverkusen die nächste Entwicklungsstufe. Dabei überragt ein Spieler, der eigentlich gar nicht mehr da sein wollte.
Auf höchstem Niveau erklimmt Meister Bayer Leverkusen die nächste Entwicklungsstufe. Dabei überragt ein Spieler, der eigentlich gar nicht mehr da sein wollte.
Xabi Alonso schafft es immer noch, Bayer Leverkusen auch auf höchstem Niveau weiterzuentwickeln. Bayer demonstrierte beim Start in die fast zwei Jahre lang in Leverkusen vermisste Champions League eine zuletzt kaum zugesprochene Stärke: Die kombinationsstarke und offensivwuchtige Werkself um Zauberfuß Florian Wirtz kann auch erfolgreich verteidigen.
«Man merkt, dass die Mannschaft reifer wird, dass sie ruhiger wird», befand Anführer Granit Xhaka nach dem 1:0 (0:0) am zweiten Königsklassen-Spieltag gegen AC Mailand stolz. Und Geschäftsführer Fernando Carro lobte anerkennend: «Wir haben sehr überlegt und erwachsen gespielt.»
Wichtiger Entwicklungsschritt in der Champions League
Das Team, das in der Bundesliga nach fünf Spielen bereits zehn Gegentore und damit jetzt schon fast die Hälfte aller Gegentore aus der Meistersaison kassierte, steht in der Champions League defensiv noch unversehrt da. Nun wurde der deutsche Meister beim 4:0-Spaziergang vor zwei Wochen beim schwachen Team von Feyenoord Rotterdam auch kaum gefordert. Das Spiel am Dienstag gegen den siebenmaligen Königsklassen-Gewinner und 19-maligen italienischen Meister Milan war aber schon ein anderes Kaliber als Bundesligaspiele gegen Borussia Mönchengladbach oder den VfL Wolfsburg, in denen Leverkusen zusammen fünf Gegentore bekam.
«Das war ein Problem», bekannte Bayer-Coach Alonso im Hinblick auf die bisherige Defensivleistung in der Liga. «In der Champions League aber haben wir das Champions-League-Mindset gehabt.» Insbesondere das Spiel am Dienstag wird als enormer Fortschritt gesehen. «Das war gegen Milan eine wichtige Probe. Es war nicht einfach, aber ein sehr guter Schritt nach vorn», meinte Alonso, der auf der Doppelsechs neben Xhaka sogar in Aleix García die deutlich offensive Variante gewählt und Defensivspezialist Robert Andrich zunächst auf der Bank gelassen hatte.
Dennoch blieb Leverkusen souverän. Das lag zum einen daran, dass Milan ganz typisch für italienische Mannschaften zunächst sehr passiv spielte, sich zurückzog und auf Fehler der Leverkusener wartete. Allerdings hielt die Bayer-Abwehr auch stand, als der Tabellendritte der Serie A den Druck nach dem Tor von Victor Boniface (51. Minute) massive erhöhte und Leverkusen nur noch auf Konter spielen konnte.
Tah überragt derzeit in der Defensive
Ein Spieler ragte dabei besonders hervor, der eigentlich gar nicht mehr für Alonsos Team spielen sollte: Jonathan Tah. Der Nationalverteidiger stand immer goldrichtig und war schon beim 1:1 am Samstag im Bundesliga-Gipfel beim FC Bayern, als Leverkusen über die gesamte Spielzeit nur verteidigen konnte, bester Abwehrspieler der Werkself.
Der 28-Jährige befindet sich in seinem letzten Vertragsjahr bei Bayer und wäre im Sommer liebend gern nach München gewechselt. Eine Einigung beider Vereine kam indes nicht zustande.
Keine einfache Situation für Tah, der bereits ausgeschlossen hat, seinen Vertrag noch einmal zu verlängern. «Er hat die Situation super gemanagt und wir sind sehr zufrieden mit ihm», sagte Carro über den so wichtigen Abwehrspieler, der nach aktuellem Stand aber spätestens im kommenden Sommer wechseln wird.
«Natürlich haben wir mit Jonathan Kontakt», sagte Carro weiter. Was das genau bedeutet und ob sich Bayer Chancen ausrechnet, Tah doch noch von einem weiteren Verbleib zu überzeugen, ließ der Katalane offen.
Auch dank Tah steht Leverkusen nun nach zwei von acht Vorrundenspielen in der reformierten Champions League mit der Maximal-Ausbeute von sechs Punkten glänzend da. In drei Wochen geht es bei Stade Brest weiter, das etwas überraschend ebenfalls mit zwei Siegen startete.
Nun Charaktertest gegen Kiel
Die größte Herausforderung laut Xhaka liegt aber nun im Tagesgeschäft Bundesliga. Dort geht es am Samstag daheim gegen den Tabellenletzten Holstein Kiel weiter. Der Aufsteiger tut sich bislang sehr schwer in der ersten Liga und ist noch sieglos. «Wenn wir glauben, jetzt mit 70 Prozent gewinnen zu können, geht das schief», warnte Xhaka und grinste. «Ich mache mir aber keine größeren Sorgen.» Auch so ein Charaktertest gehört zur Entwicklung des Meisters auf dem höchsten Niveau dazu.
Von Carsten Lappe, dpa
© dpa-infocom, dpa:241002-930-249896/1
Copyright 2024, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten