Radargerät - Blitzermarathon 2019
Radargerät - Blitzermarathon 2019
Rekordverdächtige Radarfalle

Der erfolgreichste Blitzer in Deutschland

Unglaublich – aber wahr: Rund 200.000 Mal blitzten die beiden neuen Radarfallen in viereinhalb Monaten auf der B27 bei Walddorfhäslach. Das bestätigte Matthias Bauer, stellvertretender Pressesprecher im Reutlinger Landratsamt (LRA). Denn während die Bauarbeiter in diesem Jahr dort noch an den Brücken und an der Straße werkelten, waren nur 60 Stundenkilometer erlaubt. Pro Tag blitzte es durchschnittlich bei über 1400 Autofahrern, stündlich damit etwa 58 Mal – bis zum Ende der Baustellenzeit in der vergangenen Woche. Laut der baden-württembergischen Verkehrszentrale passierten diese Stelle im vergangenen Jahr rund 50.000 Personen- und 2250 Lastwagen täglich.

Deutschlands fleißigster Blitzer?

Damit dürften die Walddorfhäslacher Blitzer deutschlandweit die erfolgreichsten sein. Verlässliche Zahlen, wo der Blitzer mit der höchsten Bußgeldsumme steht, gibt es jedoch weder beim Statistischen Bundesamt in Wiesbaden noch beim Deutschen Landkreistag in Berlin. Auch der Deutsche Städtetag muss passen. Das werde so nicht erfasst, winken die Pressestellen unisono ab.

Zuletzt fragte der Deutsche Anwaltverein 2013 bei 150 Kommunen nach, wie viel sie mit den Bußgeldern aus stationären Radaranlagen verdienen. Damals stand die Stadt Bielefeld unangefochten an der Spitze und wird seither als Bußgeld-König durch die Medienlandschaft gereicht: Eine feste Radaranlage auf der Autobahn A2 spült dort Jahr für Jahr Millionensummen in die Stadtkasse – obwohl der Blitzer bereits bundesweit bekannt ist. „Jeder kennt die Anlage, weil so oft darüber berichtet wird“, sagt die städtische Pressesprecherin Esther Ungerland.

Zahlen für 2018, die den direkten Vergleich mit den Brücken-Blitzern von Walddorfhäslach ermöglichen würden, hat sie noch nicht. Aber 2017 verschickte die Stadt Bielefeld 120.671 Bußgeldbescheide für diesen einen Autobahn-Standort – und nahm damit 6,23 Millionen Euro ein.

Da die Walddorhäslacher Blitzer in weniger als sechs Monaten allein über 200.000 Mal auslösten, dürfte die Stelle heuer die einnahmenstärkste sein – zur Freude des Reutlinger Landratsamtes. Wenn die Blitzer nämlich bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von nur 10 Kilometer pro Stunde (10 Euro Bußgeld) ausgelöst haben, sind allein 2 Millionen Euro im Säckel. Nimmt man die Bielefelder Relation an (50 Euro pro Blitz), sind es 10 Millionen. Doch das LRA führe dazu keine Statistik, sagt Bauer.

Warum so viele reinrauschten

Die beiden neuen Blitzer bei der Abfahrt Walddorfhäslach/Pliezhausen wurden Mitte Mai installiert. Farblich eher unauffällig stehen sie etwas versteckt hinter Brückenpfeilern und werden von den Autofahrern erst spät wahrgenommen.

Während der Baustellenphase waren wohl viele Autofahrer irritiert. Denn in Fahrtrichtung Stuttgart verzweigten sich die beiden Fahrspuren für mehrere Kilometer, die linke wurde auf der entgegenkommenden Fahrbahn weitergeführt, die rechte blieb. Wenige hundert Meter vor den Brückenblitzern aber kamen die beiden Fahrspuren wieder zusammen. Der Gesamteindruck der Strecke hatte nur noch wenig Baustellencharakter, aber Tempo 60 galt weiterhin. Und so dachte anscheinend manch ein Autofahrer, er könne nun wieder aufs Gas treten. Bis der Blitz ihn eines anderen belehrte.

Dass die beiden Blitzer an dieser Stelle aufgestellt wurden, habe jedoch nichts mit der Baustelle zu tun gehabt, sagt Bauer. Vielmehr hätten den Standort Testmessungen und die Unfallhäufigkeit vorgegeben.

Die Häufigkeit der Tempo-Verstöße hat dann auch das Reutlinger Landratsamt überrascht. Denn der Arbeitsaufwand stieg durch die immens hohe Zahl an Temposündern so stark an, dass für die Auswertung der Radarfallen ein Dienstleister beauftragt werden musste, so Bauer. Der Grund habe nicht in einer Überforderung der Sachbearbeiter gelegen, sondern allein in der hohen Fallzahl. Der Dienstleister habe die Kfz-Kennzeichen ausgelesen, das Knöllchen kam aber vom Landratsamt. Die Behörde hat übrigens drei Monate „nach Tattag“ Zeit, Knöllchen zu verschicken. Inzwischen seien die Bearbeitungszeiten wieder auf Normalmaß gesunken, so Bauer.